Rebecca Suttner

– geboren 1981 in Pegnitz

– Studium der Geisteswissenschaften an der FAU Erlangen-Nürnberg und 
Universität La Sapienza – Rom

– Stellvertretende Leitung kunst galerie fürth

– Städtische Galerie & freiberufliche Kulturschaffende

Foto: Karen Köhler

– Wie bezeichnest du dich selbst?

Stellvertretende Leiterin der kunst galerie fürth, ich bin dort vor allem für die Kunstvermittlung zuständig. Ich übernehme da viele Bereiche. Im Freiberuf bin ich sehr vielfältig tätig. Wenn man einen Übergriff suchen würde, wäre es vielleicht Kunst- und Kulturvermittlerin, oder einfach Kulturschaffende. Was ich nicht bin ist Kunsthistorikerin oder Künstlerin. Im Bereich zeitgenössische Kunst halte ich Einführungsreden, schreibe Katalogtexte, die sich zum Beispiel mit der Fürther Stadtgeschichte beschäftigt haben. Ich bin auch bei Kunstprojekten dabei, aber eher im Hintergrund, in der Organisation.

– Dein erster Impuls?

Es war ein langer Weg! Magisterstudiengang mit Hauptfach klassische Archäologie. Alte Geschichte und auch Kunstgeschichte. Es ist ein weiter Bogen, den man spannt! Kunstwerke der Römer und Griechen, antike Klassik, welche Funktionsweise Portraits haben. Das ist das Basiswissen zum Verständnis von Kunst. Ich habe ein Jahr lang in Rom studiert und gelebt. Da habe ich mich sehr stark mit der zeitgenössischen Kunst angefreundet. Die Kunstszene dort ist so groß. Mehr Museen, Ruinen. Ich war mehr unterwegs als in der Uni.
Ich habe mir dort Ausstellungen aus verschiedensten Zeiten angesehen. Das war für mich ein echtes Erlebnis. Da ich ein Faible für Sprachen habe, habe ich nach meiner Rückkehr beschlossen, Kunstgeschichte abzuwählen und italienische Sprachwissenschaft drangehängt.

– Wie wichtig war die Zeit in Rom für dich?

Das Erasmus Stipendium war eine Finanzierungshilfe. Das Studium in Rom war eigentlich Nebensache. Die Scheine an der Uni in Rom wurden hier nicht anerkannt. Es war quasi ein Urlaubssemester. Die Neugier hat mich an der Uni gehalten. Natürlich auch die Inhalte.
In Rom arbeitest du an Originalen. Der Aufenthalt in Rom bringt die Gelegenheit, vor Ort alles anschauen zu können. Das Museum hast du vor dir, Ausgrabungen und Gespräche vor Ort und für Studenten ist in fast allen Museen der Eintritt frei. In Rom gibt es ein deutsches Archäologisches Institut. Ich habe hochwertige Vorträge kostenlos besucht. Ich wusste genau, das war ein riesiger Zugewinn und essentiell für meine persönliche Entwicklung. Als ich zurück kam fühlte es sich an wie ein Fehlersuchbild. Vieles ist ähnlich, so wie man den Ort verlassen hatte. Aber man muss feststellen, dass sich alles weitergedreht hat. Sich die Leute weiterentwickelt haben. Als hätte man sich in der Twilight Zone herumgetrieben und passt dann nicht mehr so ganz hinein. Mit Rom war das auch so.

– Gib es ein Vorbild?

Es gibt natürlich historische Vorbilder, die ich für einen bestimmten Aspekt bewundere. Martin Luther! Jemand der etwas tut, aber ich möchte nicht so sein wie er. Ich glaube es ist besser davon zu sprechen, wer inspirierend für einen ist. Vorbild impliziert sehr schnell, dass die Person als Ganzes gemeint ist, mit der ich aber nicht identisch sein möchte. Zum Beispiel, wenn ein Künstler etwas treffend formulieren kann. Das bewundere ich. Erich Kästner mit der lyrischen Hausapotheke, genial. Tracy Emin, mit ihrem Schmerz, den Gefühlen. Das bringt in mir eine Seite zum Schwingen. Kunst ist ja auch ansprechend, wenn man das Gefühl wieder erkennt.

– Deine Funktion in der Kunst Galerie?

Wir sind nur zu zweit. Natalie de Ligt und ich, und dann gibt es eben noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in der Kunstvermittlung tätig sind und als Aufsichten. Bei mir liegt komplett die Kunstvermittlung für Schulen und Senioren. Das macht mir auch sehr viel Freude.
Die Arbeit ist vielfältig, immer wieder neu, spannend. Es macht einen sehr zufrieden und glücklich.

– Die Kunst Galerie hat einen extra Raum?

Ja, jetzt. Seit 2019. Zuvor hatten wir einen ehemaligen Tresorraum ohne Fenster! Der Raum war alles andere als ideal. Der neue Raum, der Kunstwerkraum ist funktionell, ein helles Atelier für Gestaltungsmöglichkeiten, mit dem großen Nachteil, dass man fünf Minuten hinlaufen muss. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Raum zur Verfügung gestellt bekommen haben, weil wir dadurch neue Möglichkeiten haben, etwas zu machen. Wir versuchen, neue Zielgruppen zu bekommen. Wir hatten fast anderthalb Jahre gar keinen Raum für die Kunstvermittlung.
Mir ist wichtig, dass man auch handlungsorientiert arbeitet. Wir lassen uns inspirieren von der Ausstellung. Wir nehmen einen Aspekt heraus; was die Kinder in der Ausstellung gesehen haben. Ich bekomme da auch tollen Input aus meinem Team. Ich finde diesen Bildungsauftrag den man hat wichtig! Kunstvermittlung muss attraktiv sein, wir wollen das Publikum hier aus Fürth. Ich habe viel positives Feedback bekommen. Wir bieten Kunstvermittlung für verschiedene Zielgruppen in Kooperation mit anderen Einrichtungen, zum Beispiel dem Jüdischen Museum. Das Konzept heißt, flexibel bleiben. Ich bin als Freiberuflerin gut vernetzt und um ans Ziel zu kommen, sollte man die Anstrengungen nicht scheuen.

– Deine Lieblingstechnik oder dein Lieblingsmaterial/deine Lieblingsmaterialien?

Was ich immer sehr gerne mag sind Drucktechniken und ich nehme da einfache Materialien, Alltagsmaterialien. Etwas, das die Kinder und Jugendlichen auch zu Hause machen können. So dass sie aktiv werden. Wir vermitteln ein Vorbild, Hilfestellungen für die Teilnehmer. Parallel zur Ausstellung von *Botond, der aus LKW-Planen Köpfe gemacht hat, haben wir aus Plastiktütenschnipseln Gesichter gebügelt. Oder wir haben einmal mit 150 Zollstöcken spannende Rauminstallationen parallel zur Ausstellung von *Kai Richter kreiert.

Botond ist zeitlos, ich finde seine Arbeit genial. Arbeiten mit Zollstöcken, das erinnert mich an die Arbeiten von *Cildo Meireles. Ich denke, die würden dir gefallen. 

– Ich habe die Ausstellung von *Christian Rösner besucht, es war eine Top-Ausstellung. Gratulation, wie war‘s für dich?

Danke dir, ich finde auch, das war eine sehr gute Ausstellung. Es war eine Wunschausstellung von mir, war mein Vorschlag. Es ist super gelaufen, unglaublich viele Besucher. Es ist schade, dass keine Schulklassen kommen konnten.

– Deine Lieblingsausstellung oder Performance?

Das ist ganz schwer. Ich lasse mich gerne begeistern. Es gibt so viele gute Ausstellungen. Die riesige Murmelbahn im Nürnberger Stadtpark, an der ich selbst mitarbeiten durfte. Es war für mich ein Kindheitstraum, der in Erfüllung gegangen ist.

– Wie war‘s in Dänemark?

Wir waren in Aarhus und Kopenhagen. [Sie lacht.] So viele ambivalente Gefühle. Die Museumsszene in Dänemark ist super. Vom großen Kunstmuseum bis zum super winzigen Wikinger-Museum; so gut gemacht! In Aarhus war die Installation von *Ólafur Elíasson.
Das war fantastisch. Ich bin von den Museen schwer beeindruckt!

– Was ist deine Welt innerhalb der Kunst?

Da ich selbst keine Künstlerin bin, habe ich da keine verwandtschaftliche Nähe zu dem, was ich tue. Mich spricht da eher Kunst an, bei der ich Emotionen erkennen kann, die ich teile. Das kann eigentlich alles sein. Ich spreche nicht so sehr auf Zeichnungen an, mehr auf Skulpturen, auch Installationen. Die intellektuelle Auseinandersetzung schließt sich dem Ganzen dann an. Das Verhältnis zu einem Kunstwerk kann sich aber auch verändern, besonders wenn man es zu Hause hat, oder ihm immer wieder begegnet. Wenn man in der Kunstvermittlung arbeitet nimmt man auch immer die Impulse auf, die man kriegt. Bei einer Führung bevorzuge ich beispielsweise den Dialog, kein Monologisieren. Ich muss die Besucher auch ein Bisschen locken, damit sie keine Angst haben, über etwas zu sprechen.
Aber nicht nur positive, auch negative Resonanz und Erfahrungen sind gut. Wie vor vielen Jahren bei der Biennale von Venedig, der Schweizer Pavillon, eine Installation von *Thomas Hirschhorn. Es war furchtbar. Schreckliche Bilder, Gewaltdarstellungen, aber genial gemacht. Ich habe mich konfrontiert! Als er vorletztes Jahr in München in der Villa Stuck ausgestellt hat, wollte ich testen, ob seine Installationen immer noch so einen heftigen Effekt auf mich haben.

-Was ist nicht deine Welt innerhalb der Kunst?

Arbeiten, die zu plakativ sind. Das darf auch sein. Aber nicht, wenn es immer gleich, nicht raffiniert ist.

– Wer ist dabei in der Sammlung Rebecca Suttner?

Olaf Bahn, Sejin Kim, Harri Schemm, Georg Baier, Eleonora Kirchgessner, Stephan Schwarzmann, Botond, Clemens Lang, Timm Ulrichs,
Natascha Stellmach,
Günter Derleth, Meike Lohmann, Sofie Strasser, Parastou Forouhar, Ulrike Pilzecker, Elizabeth Thallauer, Anke Hellmich, Zhèng Qíang, Franz Janetzko, Christian Rösner, Johannes Volkmann, Udo Kaller, Christoph Ruckhäberle, Anna G. Wenning, Hans Karl Kandel

– Brauchen wir mehr Kunst-Initiative in der Region?

Das ist schwer. Man muss differenzieren. Es gibt tolle Initiativen, Kunstvereine. Aber Räumlichkeiten und damit ja auch Möglichkeiten, da mangelt es etwas hier im Raum. Es ist jede Menge kreatives Potential da, viel Manpower da, aber ohne einen Raum, ohne Unterstützung und finanzielle Absicherung, wie soll das machbar sein?

– Ist die Szene in der Region besser als früher geworden?

Kann ich nicht wirklich beantworten. Wegen meiner Arbeit. Durch die Vernetzung lernt man mehr und mehr Künstler kennen. Man muss sich dann fragen, ist die Szene besser geworden oder nur die eigene Kenntnis der Szene. Deswegen halte ich da etwas Abstand davon, das beurteilen zu wollen.

– Stelle dir vor, in einer Grundschule ist ein ganzer Gang voll mit Hundertwasser-Fakes. Ist das didaktisch sinnvoll?

Einfach nur zu reproduzieren kann nicht das Ziel sein. Aber so zu gestalten wie ein künstlerisches Vorbild, den Weg nachzuvollziehen hat auch seinen Reiz und Lerneffekt. Man muss dafür sensibilisieren, was Kunst ist.

– Bist du politisch?

Natürlich bin ich politisch, aber ich gehe mit meiner Meinung nicht hausieren. Jeder hat sein Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten! Auf der Grundlage bin ich dann schon bereit, Gespräche zu führen.

– Warst du schon in einer Sitzung des Kulturausschusses?

Ja. Kulturausschuss. Wir haben über den neuen Kunstwerkraum gesprochen. Es gibt auch einen Kulturausschuss des Seniorenrats.
Ein wichtiger Kooperationspartner für die Galerie. Weil wir auch viele Angebote für Seniorinnen und Senioren machen. In den Städten ist Kultur natürlich auch politisch.

– Wusstest du, dass es ein Gremium für Kultur in der Metropolregion Nürnberg gibt?

Das wusste ich nicht.

– Wusstest du, dass keine Künstler dabei sind?

Ein Gremium für Kunst ohne Künstler, das klingt nach einem Versäumnis.

– Warum heißt das Künstlerhaus Künstlerhaus, obwohl keine Künstler dort sind?

Das hängt mit der Anfangsgeschichte und Funktion des Hauses zusammen. Es sollte für die Künstler des *BBK zur Verfügung stehen.
 So wird es ja nicht mehr genutzt.

– Möchtest du zu diesem Interview noch etwas beitragen?

Einen Satz des Künstlers Benjamin Moravec. „Das einzige Werkzeug, um Wahrheit zu messen sind Gefühle!“ Das beschäftigt mich bis heute.

Danke für dieses Interview!

 

 

 

Dieses Interview ist im Oktober 2020 entstanden.

 

*Ólafur Elíasson ist ein dänischer Künstler isländischer Herkunft.

*Botond László Kardos Ungarisch Künstler 

*Christian Rösner, Deutscher Bildhauer

*Thomas Hirschorn, Schweizer Installationskünstler

*Kai Richter, Deutscher Künstler

*Cildo Meireles, Brasilianischer Künstler